Dass die Schulzeitverkürzung vom neun- auf das achtjährige Gymnasium nicht nur schulischen Stress und Leistungsdruck verursacht, ist für zahlreiche Familien täglich spürbar. Hobbies, die maßgeblich zur individuellen Entwicklung und Lebenszufriedenheit beitragen, müssen im nachmittagsbereich nun immer öfter dem schulischen Langtag, Nachhilfe oder sonstigen Lernaktivitäten weichen. Dies ist nicht nur tragisch für Schüler und Familien, die ihren Freizeitbereich dem Optimierungswahn unterwerfen müssen. Auch die Anbieter dieses Freizeitangebots haben zunehmend Grund, um ihre Existenz zu bangen.

Musikschulen, Sportvereine und sonstige Angebote verzeichnen derzeit flächendeckend einen tragischen Teilnehmerrückgang. Wenn es an die Kürzung der Hobbys geht, zieht zudem oft die Musikschule den Kürzeren gegenüber den sportlichen Angeboten. Der Gedankengang: „Bewegung geht vor Kreativität.“ Die Rechnung geht zur Not zwar auf, bedeutet jedoch einen harten Verlust für die Musikschullandschaft. Überdies sind die positiven Effekte von Musikunterricht auf die kindliche Hirnentwicklung unumstritten:

„Bereits ein Jahr Instrumentalunterricht hinterlässt deutlich messbare Spuren im Gehirn von Kindern. Diesen Prozess konnten Wissenschaftler der University of Toronto in Kanada nun erstmals mithilfe der sogenannten Magnet-Enzephalographie (MEG) verfolgen. Die Aufnahmen belegen, dass sich die Art und Weise, in der das Gehirn Töne verarbeitet, bei musikalisch geschulten Kindern anders entwickelt als bei Kindern, die kein Musikinstrument erlernen. Wie die Forscher um Takako Fujioka in der Fachzeitschrift Brain berichten, machen die kleinen Musikanten darüber hinaus auch bei Gedächtnistests deutlich größere Fortschritte.“
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Folgende Zitate und Artikel geben einen Einblick in die Auswirkungen der G8-Belastung auf den musikalischen Sektor:

„G8 raubt den Kindern Zeit für Freunde, Hobbys, Vereine u.a. außerschulische Aktivitäten. Sportvereine, Musikschulen, DLRG, Feuerwehr, THW und andere Einrichtungen klagen über Nachwuchsmangel, der sich durch die demografische Entwicklung zusätzlich verschärft. Damit ist G8 längst keine Angelegenheit mehr, die ausschließlich SchülerInnen, Eltern und Lehrkräfte betrifft. G8 wird zu einem gesellschaftlichem Problem.
Auch die Pfadfinder, die Jugendliche zu Gruppenleitern ausbilden und damit einen wesentlichen Beitrag zum Erlernen der sog. Soft Skills beitragen, spüren den Zeitdruck bei den Jugendlichen.“
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„In der jetzigen Mittelstufe kommt es knüppeldick: 36 Wochenstunden statt 30 wie früher in G9, zweimal Nachmittagsunterricht. Im G9 gab es erst in der Oberstufe auch noch nach 13 Uhr Unterricht, jetzt müssen schon die Sechstklässler sieben Stunden absitzen.
Lena hat jetzt mit dem Gitarren-Unterricht für ein Jahr ausgesetzt, selbst wenn sie irgendein gemeinsames Zeitfenster mit ihrem Lehrer gefunden hätte, sie hätte kaum Gelegenheit zum Üben gefunden. Lenas Eltern sind zwar traurig, dass gerade kreative Hobbys leiden, verstehen aber Lena und gewinnen dem auch etwas Positives ab: Immerhin sparen sie dadurch monatlich 80 Euro Musikschulgebühr, das tut der Familienkasse gut.“
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„Während (Musikschulleiter) Steinhauser früher jedes Jahr steigende Schülerzahlen verzeichnen konnte, stagnieren sie seit einiger Zeit, und es gebe weniger Neubewerbungen. Immer wieder werden auch Schüler von den Eltern abgemeldet, „weil die Schule an erster Stelle steht“ und die Jugendlichen beides, also Schule und Musik, nicht mehr unter einen Hut bringen. „Gerade in den letzten beiden Jahren vor dem Abitur hören viele auf“, sagt Steinhauser.
Ein häufiges Argument der Eltern sei auch: Wenn die Leistungen in der Schule nachlassen, muss man eben den Musikunterricht aufgeben. „Dabei brauchen die Kinder eigentlich einen Ausgleich zum Lernen. Das Musizieren fördert außerdem die Konzentrationsfähigkeit.“
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Letztendlich ein Leitartikel aus der Fachzeitschrift „Musische Bildung – Musikschulen“ 01/09 hg. vom Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs. Download: http://www.musikschulen-bw.de/pdf/MusischeBildung-Musikschulen200901.pdf