Lernstörungen wie LRS oder Dyskalkulie und Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS machen heutzutage immer öfter außerschulische Förderangebote für betroffene Kinder notwendig. Dass hier Therapeut nicht gleich Therapeut und Ansatz nicht gleich Ansatz ist, trägt bei betroffenen Familien leider eher zu Verwirrung und Hilflosigkeit bei, als zu Zuversicht und Besserung. Es kommt zum frustrierten Tingeln von Arzt zu Arzt und zum unbefriedigten Abbrechen von Therapien. Nebenbei kostet der ganze „Spaß“ noch eine Stange Geld und zurück bleibt das Gefühl, nicht wirklich weiter zu kommen.

Heute habe ich beim Schulpsychologischen Dienst meiner Stadt ein paar Fachleute zu Lerncoaching bzw. Lerntherapie befragt und konnte ein paar neue Erkenntnisse gewinnen. Es bestätigt sich mal wieder, wie schwer es ist, wirklich an den richtigen Mann/Frau für das richtige Problem zu kommen…

Die Beruftsbezeichnung „Lerncoach“ bzw. „Lerntherapeut“ ist nicht geschützt, das heißt, hilfesuchende Familien können an Menschen mit den unterschiedlichsten Qualifikationen geraten. Manche haben „lediglich“ ein paar Fortbildungen gemacht, andere sind jahrelang und umfassend fachlich ausgebildet.

Viele Lerncoaches werben mit einem „ganzheitlichen“ Ansatz. Dies entspricht einem Trend, der auch in der Medizin deutlich wird. Weg vom Menschen als „Fall“, hin zu einer ganzheitlichen und systemischen Betrachtung. Zugegeben, das klingt im Grunde sehr gut. Leider läuft es aber (nach Auskünften der Schulpsychologen) oft genug darauf hinaus, den Kunden an möglichst viele Sitzungen mit diffusem Behandlungsschwerpunkt zu binden, die einen großen Kostenfaktor bedeuten.

Wichtig ist es, dass jeder Hilfsmaßnahme eine fachkundige Diagnostik zugrunde liegt, um wirklich zu schauen, was Sinn macht. Ein geeigneter erster Ansprechpartner ist der Kinderarzt. Hier kann man zunächst körperliche Entwicklungsstörungen ausschließen und ggf. an Experten für die psychosoziale Entwicklung weiter vermitteln. Tests zu Aufmerksamkeit und Lernschwierigkeiten werden auch von Kinderpsychologen durchgeführt, die entsprechend mit lerntherapeutischen Praxen zusammenarbeiten. Hier wird zunächst auch ein Intelligenztest gemacht, um eine Minderbegabung auszuschließen und genauere Auskünfte über den Förderschwerpunkt zu bekommen.

Ergotherapie wird heutzutage oft empfohlen. Viel zu häufig sind Erfolge jedoch gering und die Therapie wird zwar als nettes Angebot empfunden, aber nach einer Weile unbefriedigt eingestellt. Das heißt auf keinen Fall, dass Ergotherapie ein schlechtes Angebot ist. Im Gegenteil. Jedoch sollte sie wirklich für das individuelle Problem zielgerichtet geeignet sein.


Um ganz ehrlich zu sein: ein häufiger Grund, warum Lerntherapien nicht zu Erfolg kommen ist, dass sie oft nur ein Ablenkungsmanöver vom wirklichen Problem darstellen. Im Grunde müsste man viel mehr Familien zu einer Erziehungsberatung oder Familientherapie raten.

Das Lernproblem des Kindes ist oft nicht nur ein Lernproblem, sondern zeigt sich auf sehr viel mehr Ebenen. Das anzugehen, die ungünstigen Mechanismen im Elternhaus als solche anzuerkennen und bereit sein, daran konstruktiv zu arbeiten, daran scheitert es dann doch oft. Stattdessen geht man unbefriedigt aus Lerntherapien – kein Wunder, das Lernproblem ist ja oft nur ein Symptom für ein viel tiefer liegendes Problem. Dazu schreibe ich ausführlicher hier: Therapeutischer Aktionismus – Woran es in vielen Familien fehlt und warum Therapien meistens zu kurz greifen

Ich möchte auch beruhigen, was die Schulformwahl angeht. Es MUSS nicht jedes Kind auf’s Gymnasium gehen. Kinder sind sehr unterschiedlich begabt und es wäre falsch, das Erfolgspotenzial eines Kindes nur daran zu messen, ob es die Verhaltens- und Lernanforderungen des Gymnasiums „bedienen“ kann und will. Es gibt so viele andere Wege, Schulformen, Umwege um ins Berufsleben zu finden. Und es müssen nicht alle Akademiker werden. Akademiker sind auch nicht automatisch in sicheren Beschäftigungsverhältnissen, gut bezahlt und glücklich. Ich möchte dazu auf Frage 5 meines Posts „9 Schülerfragen an einen Lehrer – beantwortet“ verweisen.


Folgende Anknüpfungspunkte sind eine Option, um in der Recherche nach einem geeigneten Hilfsangebot weiter zu kommen:

– Kontaktieren des städtischen Schulpsychologischen Dienstes.
Sofern dort die Kapazitäten vorhanden sind, wird man Sie umgehend beraten und mit ihrem Kind und ihnen arbeiten.

– Kontaktieren der städtischen Erziehungs- und Familienberatung.
Wenn in einer Familie etwas schief läuft, sich die Eltern zum Beispiel Sorgen um die Entwicklung eines Kindes machen oder sich mit der Erziehung überfordert fühlen, dann beraten der Fachdienst für Familien- und Erziehungshilfe sowie psychologische Beratungsstellen die Eltern. Dies ist absolut nichts wofür man sich schämen muss! Erfahrungsgemäß arbeiten in den städtischen Familienberatungen sehr gut ausgebildete Psychologen, die bei so gut wie allen Problemen kompetente Ansprechpartner sind oder zu vermitteln wissen.

– Kontaktieren des Fachverbandes für integrative Lerntherapie
Auf deren Homepage können Sie sich informieren, was integrative Lerntherapie ist. Außerdem ist auf der Homepage eine Suchfunktion, bei der Sie entsprechende Therapeuten in Ihrer Region finden können: http://www.lerntherapie-fil.de/index.php

– Kontaktieren des Kinderschutzbundes in Ihrer Region
Vor Ort gibt es oft ein gutes lerntherapeutisches Angebot. Sie können dort erfragen, welche entsprechenden Therapeuten und Anlaufstellen der Kinderschutzbund in Ihrem Einzugsgebiet empfehlen kann.

– Netzwerke für Lerntherapeuten
Auf überregionalen Community-Seiten finden Sie in der Regel eine lange Liste von möglichen Therapeuten. Über deren Qualifikation sagt das leider noch nichts aus aber einen guten Überblick gibt es aber allemal…