Ich habe den Glauben an das System, in dem ich arbeite, über die letzten Jahre verloren.
Dabei bin ich passionierte Lehrerin, liebe den Umgang mit jungen Menschen und inspirierenden Inhalten und mache dabei keinen schlechten Job, wenn ich dem Feedback meines Umfeldes trauen darf. Täglich stehe ich auf’s Neue mit einem Lächeln, einem Packen wohl überlegten Materials und recht bodenständigem „Classroom-Management“ (wie es in Pädagogik-Neusprech so schön heißt) vor meinen Klassen und versuche, den Unterricht angesichts der für mich äußerst fragwürdigen Rahmenbedingungen gut zu gestalten – und mache dazu die Faust in der Tasche. Denn meine Schüler können ja für all dies nichts.
Täglich mache ich im Unterricht die Faust in der Tasche, denn meine Schüler können ja für all dies nichts.
Ein gewisser Idealismus, den ich über die Jahre einfach nicht ablegen kann, verursacht mir im System Schule somit weitaus mehr Frustration als das Gefühl einer positiven Selbstwirksamkeit und Sinnstiftung, das ja eigentlich überwiegen sollte. „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ sangen Ton Steine Scherben in den 70ern. Doch wie soll das als Lehrer aussehen? Die offene Rebellion? Die innere Kündigung? Für viele ist es die „Flucht“ in die Schulleitung oder die Lehrerausbildung.
Meine Konsequenz habe ich bereits gezogen: Ich habe nach einer Reihe von (verbeamteten) Jahren nun den entscheidenden Brief an die Bezirksregierung geschickt, um dem System Schule den Rücken zuzukehren. Meine Tage an der Schule sind damit gezählt. Ziemlich schade für alle Beteiligten, wenn ich das mal mit einer gewissen Portion Eigenlob sagen darf.
Ich habe nun meine Konsequenz gezogen und gekündigt.
Statt „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, heißt es für mich daher: ICH BIN RAUS!
Dass mir dabei als bisheriger Staatsdiener etwa 50% meiner aktuell aufgebauten Altersansprüche verloren gehen, ist bitter. Auch die lebenslange Sicherheit, die die Verbeamtung bedeutet, gebe ich damit auf. Aber diese Sicherheit kann nicht die Begründung sein, noch über 30 Jahre meine komplette Arbeitskraft einem System zur Verfügung zu stellen, das mich und so viele mehr kaputt macht.
Zu meinem Ausstieg bald mehr an dieser Stelle.
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12 Responses
Mutige Entscheidung. Und bestimmt nicht leichtfertig getroffen. Meine Jungs haben zu Hause ein paar tolle, engagierte Lehrer, die nach ähnlichen Erkenntnissen an der Waldorfschule gelandet sind und sich dort mit einem genauso herausfordernden, aber selbstbestimmteren und menschlicheren Schulleben wohlfühlen. Vielleicht wäre das ja auch noch mal eine Idee…?
Viele Grüße, aktuell aus Athen,
Lena
Danke und ja, das habe ich jahrelang überlegt und auch schon eine gute Alternative am Start, sonst würde ich es nicht tun. Wer weiß, vielleicht schau ich mir ja mal die Waldorfschule in unserem Ort an 😉
Gratuliere! Es ist wirklich keine leichte Entscheidung. Ich überlege auch schon eine ganze Weile und suche gerade ganz intensiv nach Alternativen. Was wirst du machen? Auf jeden Fall wünsche ich dir auf deinem Weg alles Gute!
Hey, vielen Dank! Ja, bei mir liegen auch 5 Jahre zwischen dem ersten Mal, als ich den Gedanken zur Kündigung geäußert habe und der tatsächlichen Kündigung. Habe viele Alternativen intensiv ausgekundschaftet und abgeklappert. Im Endeffekt sprechen für mich aber erschlagend viele Gründe für die Selbständigkeit. (Nicht zuletzt durch den Zufall, dass ich in das Unternehmen meines Mannes mit einsteige 😉 )
Ich liebäugel auch mit der Selbstständigkeit und bin gerade dabei einige Bücher zu lesen, um mich schlau zu machen. Man hat ja als Beamter wenig Erfahrung damit 😉
Alles Gute und liebe Grüße – Sabine
Wünsche dir ebenfalls alles Gute und viel Erfolg. Als Lehrer hat man, denke ich, genug „Kompetenzen“ für eine Selbständigkeit aufgebaut 😉
Hallo textourette! Ich bin vor 5 Jahren aus dem System „gegangen worden“ im Ref. Ich hatte zwar keine Bestnoten, sondern Vornoten von 2,7. Trotzdem- durchgefallen. Tja. Zweimal sogar.
Heute geht es mir jedoch besser als je zuvor und ich bin heilfroh, aus der Schule raus zu sein! Ich arbeite weiter im päd. Bereich (den ich laut den Fachleitern sehr gut drauf habe, mir lag die Unterrichtsplanung nicht) und habe nebenbei noch ein Fernstudium drauf gesattelt. Ich will hier allen frei- und unfreiwilligen Aussteigern Mut machen- es geht, wenn man will!
Hallo Jona,
mich würde interessieren, was du beruflich jetzt genau machst?
Ich überlege gerade freiwillig auszusteigen um auswandern zu können.
Eine Beurlaubung als Sonderpädagogin ohne Bezüge ist leider nicht möglich.
LG
Miriam
Liebe Miriam, ich arbeite im Öffentlichen Dienst als Bildungsreferentin.
Das klingt toll! Ich bin ebenfalls aus dem Referendariat raus. Meine eigene Gesundheit war mir wichtiger. Darf ich fragen was du nebenher studiert hast?
Guten Abend, ich wüsste sehr gern, ob es auch eine Möglichkeit gibt, den Beamtenstatus für eine gewisse Zeit „ruhen“ zu lassen, da ich dies zumindest von früheren Lehrkräften gehört habe. Also keine Beurlaubung mit begrenzter Nebentätigkeit, sondern eine echt Möglichkeit der Neuorientierung mit „Hintertürchen“. Im Beamtengesetz finde ich dazu nur etwas, wenn ein politisches Amt ausgeübt werden soll oder „arbeitsmarktpolitische Gründe“ gegeben sind, also ein Überhang an Lehrkräften in dem Zweig vorhanden ist, was ja heutzutage wohl eher an keiner Schulstufe mehr so ist… Ich freue mich, wenn jemand einen Tipp hat . Viele Grüße von Stella
Hallo, dieses „ruhen lassen“ ist formal eine Beurlaubung. Diese wird in den verschiedenen Ländern unterschiedlich restriktiv gewährt. Die Regelungen dafür hast du bereits gefunden. Leider gibt es ansonsten keine Schlupflöcher. Viele Grüße