Ch-ch-ch-ch-changeeeees!

Huch, sind denn schon drei Jahre um? Am ersten Januarschultag 2015 habe ich meinen Antrag auf Entlassung gestellt und war dann zum 30.04.2015 raus.

Dass ich mal Gymnasiallehrerin war, fühlt sich heute surreal an. Ganz weit weg. Ungefähr so weit weg wie mein 14-jähriges Kelly-Family-Fan-Ich, oder mein 20-jähriges Ich, das mit Stachelhalsband und Netzstrumpfhosen durch London zog.  Wie bin ich eigentlich auf die Idee gekommen, ausgerechnet diesen Beruf zu wählen? Naja, eigentlich weiß ich das ziemlich genau, aber den Exkurs will ich euch gerade mal ersparen…

Wie hat sich nun mein Ausstieg in den letzten drei Jahren bis jetzt ausgewirkt?

Nun ja, die tiegreifendste Veränderung seit meinem Ausstieg ist eher privater Natur, denn ich bin mittlerweile selbst Mutter geworden. Was in Bezug auf meine berufliche Vorerfahrung mit Eltern gleichermaßen witzig und gruselig ist. Ich mache nämlich nun auch im privaten Bereich mit denjenigen Eltern Bekanntschaft, von denen ich bereits erahne, dass ich sie in 6-10 Jahren eher nicht zum Sitznachbarn auf dem Elternabend haben möchte. Eine ganz neue Erfahrung, den Helikopter-Hype mal von dieser Seite kennenzulernen und mit dem eigenen Kind dazu Stellung beziehen zu müssen/wollen. Dazu an anderer Stelle irgendwann mal mehr.

So viel zum Privaten, let’s talk business. Wer googeln kann und bisher die Energie aufbrachte mich zu googeln, der hat herausbekommen, dass ich mit meinem Partner eine private Musikschule leite. Die existierte schon lange vor meinem Ausstieg und ich bin 2015 dann nahtlos in die Leitung eingestiegen. Ich war schon immer Hobbymusiker und nun eine Musikschule zu leiten passt einfach. Wohlgemerkt unterrichte ich nicht, sondern bin dort mit Orga, Planung, Marketing, etc. beschäftigt. Das ist momentan meine Haupttätigkeit (von der Elternzeit mal abgesehen – aber die gibt es als Selbstständiger ohnehin nicht wirklich). Vielleicht sollte ich mein Blog in Zukunft mit Geschichten aus der Musikschule füllen – da erlebt man Eltern und Kinder noch mal von einer anderen Seite denna) hier ist der Unterricht tatsächlich Dienstleistung und b) man bekommt hier die Kids und Eltern mal außerhalb einer Bewertungs- und Selektions-Situation mit. Spoilerwarnung: auch das hat seine Tücken… ;-P

Vor meiner Schwangerschaft habe ich auch sehr fleißig freiberuflich private Nachhilfe gegeben, muss aber feststellen, dass man sich da doch ziemlich verramschen muss und es trotz netter und sehr – im positiven Sinne – anhänglicher Schüler auf Dauer unbefriedigend ist. (Unqualifizierte) Nachhilfe gibt es heute an jeder Ecke und zum Dumpingpreis. An Nachhilfeinstituten werden mehr oder weniger gut ausgebildete Kräfte zu halsabschneiderischen Konditionen ausgebeutet. (Am abartigsten ist der Slogan “5 weg oder Geld zurück”, mit dem eines der größten Nachhilfe-Fanchises wirbt. Da gehe ich innerlich an die Decke!) Nachfrage gibt es mehr denn je, jedoch gibt es wenig Bereitschaft, für eine hoch qualifizierte und individuell zugeschnittene Nachhilfe deutlich was drauf zu legen. Geiz ist auch hier geil. Wobei ich einräumen muss, dass viele Schüler Nachhilfe in mehreren Fächern benötigen und sich die Kosten so ganz schön läppern können! Daher wird vielen Eltern da die Entscheidung sicherlich vom Portmonee abgenommen.

Kurzum, nach einer gewissen Zeit war ich der Nachhilfe überdrüssig und jetzt bin ich ohnehin private Leibsklavin von einem kleinen Menschen, dem ich quasi 24/7 “nachhelfe” 😉 , da bleibt keine Zeit mehr dafür.

Zum Thema Altersvorsorge: momentan buttere ich ziemlich viel in die private Altersvorsorge, denn, wie vielleicht gemeinhin bekannt ist, verliert man beim Ausstieg aus dem Beamtentum in NRW knapp 50% seiner Altersansprüche.

Das Arbeiten ist von seiner Art und Weise her deutlich angenehmer geworden, auch wenn die Grenzen zwischen Beruf und Privat bei der Selbständigkeit ähnlich wie beim Lehrerdasein verschwimmen. Irgendwie ist man latent immer am Vorbereiten und Netzwerken. Allerdings gibt es nicht diese quasi täglichen Deadlines, die der Lehrerberuf so mit sich bringt, was enorm entstresst. Dafür muss man aber ständig in Bewegung bleiben, um auch langfristig davon leben zu können. Das macht meistens Spaß, ist aber nichts für schwache Nerven. Welchen Spruch habe ich neulich in einem dieser windschnittigen Start-Up TV Formate auf einem Privatsender gehört? “Zu gründen ist, wie von einer Klippe springen und auf dem Weg nach unten ein Flugzeug zu bauen.” Ja, so kann sich die Selbständigkeit manchmal anfühlen. Zum Glück sind wir zu Zweit.

Alles in allem würde es mir momentan nicht im Traum einfallen, wieder Lehrer werden zu wollen. Dabei gab es ja nun in NRW gerade den Regierungswechsel von rot/grün zu schwarz/gelb und ich komme nicht mehr in den Genuss von etwaigen Veränderungen, die das für die Bildungslandschaft nach sich zieht. Stichwort G9! Da darf man gespannt sein, wie jetzt der hirnlose Curriculumsbrei, der ja vor gut 10 Jahren erst bei der Umstellung von G9 auf G8 ausgedünnt wurde, nun wieder auf ein Schuljahr mehr aufgeblasen werden soll. Da freuen sich die Schulbuchverlage über den ständig neuen Bedarf an grundsätzlich überarbeiteten Lehrwerken.

Mein Kind irgendwann selber in diese Tretmühle zu schicken und ihm dabei irgendwie noch vorzugaukeln, dass das alles so Sinn macht – kann ich mir momentan kaum vorstellen. Reformpädagogisch geprägte Schulen à la Motessori und Waldorf erfrischen die Bildungslandschaft, bleiben jedoch immer noch Exoten. Meine Hoffnung ist, dass mehr Schulen mit inspirierten Kollegien sich selbst auf den Weg machen. An solch einer “Schule im Aufbruch” könnte ich es mir dann auch glatt wieder vorstellen, Lehrer zu sein.

Abschließend noch meine Zahl des Tages: 50191.

So oft wurde mein Artikel “Die „Kündigung“ als verbeamteter Lehrer – so war’s bei mir! Der Antrag auf Entlassung aus dem Dienst und seine Folgen” seit April 2015 angeklickt.

Wenn auch nur hinter jedem zehnten Klick ein Lehrer steckt, der berufsmüde und veränderungswillig ist, dann sind wir doch schon eine kleine Armee 😉